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Stichwort English Beschreibung
Europäische Erbrechtsverordnung European Succession Regulation Die Europäische Erbrechtsverordnung (auch: EU-Erbrechtsverordnung, EU-ErbVO) ist seit 19. August 2012 in Kraft. Relevant ist sie jedoch ab 1. August 2015, da sie von diesem Datum an eintretende Erbfälle betrifft. Die EU-Erbrechtsverordnung gilt direkt ohne Umsetzung in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Zu ihrer Durchführung müssen jedoch begleitende deutsche Regelungen geschaffen werden. Sie enthält maßgebliche Änderungen für grenzüberschreitende Erbfälle. Am innerstaatlichen Erbrecht ändert sie nichts. Wer jedoch als Deutscher im EU-Ausland lebt oder eine Ferienimmobilie oder einen Zweitwohnsitz dort unterhält, muss sich auf erhebliche Änderungen einstellen.

Zweck der Neuregelung ist es, Rechtsunsicherheiten bei internationalen Erbfällen zu beseitigen, die insbesondere im Ausland belegene Immobilien betreffen. Denn in vielen Ländern gilt das „Lagerecht“: Danach ist auf eine Immobilie im Erbfall das Recht des Landes anzuwenden, in dem sie liegt. Andererseits wurde auf Erbschaften generell bisher meist das Staatsangehörigkeitsprinzip angewendet: Der Erbfall war nach dem Recht des Heimatstaats des Erblassers zu behandeln, unabhängig von dessen Wohnsitz.

Kern der Verordnung ist, dass künftig grenzüberschreitende Erbfälle unter das Recht des Landes fallen, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hat. Die Staatsangehörigkeit ist ebenso wenig ausschlaggebend wie der Ort, an dem sich der Nachlass befindet. Hat also ein deutscher Rentner auf Mallorca gelebt, gilt spanisches Erbrecht. Und nach diesem ist zum Beispiel ein gemeinschaftliches Testament von Ehegatten – wie das Berliner Testament – unzulässig. Dies gilt auch für andere Staaten wie etwa Frankreich oder Italien. Damit besteht die Möglichkeit, dass statt eines nun ungültigen Testaments die gesetzliche Erbfolge des jeweiligen Landes greift, die meist auch anders geregelt ist als in Deutschland. So gibt es in vielen Ländern nicht das stark ausgeprägte Ehegattenerbrecht, das wir in Deutschland kennen. Teilweise erhält der Ehegatte nur einen anteiligen Nießbrauch am Nachlass, während die Kinder erben (Spanien). Auch Pflichtteilsrechte können anders ausgestaltet sein; teilweise werden im Ausland Pflichtteilsberechtigte zu echten Miterben mit allen Rechten und Pflichten (Frankreich).

Für im Ausland lebende Deutsche empfiehlt es sich daher, im Testament eine ausdrückliche Rechtswahl zu treffen, nach der auf das Testament deutsches Recht anzuwenden ist. Diese Möglichkeit wird von der Europäischen Erbrechtsverordnung ausdrücklich eingeräumt (Art. 22). Die Rechtswahl unterliegt den gleichen Formvorschriften, die nach der gewählten Rechtsordnung für das Testament gelten: Sie muss also wie der Rest des Testaments handschriftlich niedergelegt, eigenhändig unterschrieben und möglichst mit Ort und Datum versehen sein. An die Rechtswahl sind auch ausländische Stellen gebunden. Ohne diese Rechtswahl sind viele bestehende Testamente unwirksam.

Eine weitere wichtige Neuerung ist die Einführung des Europäischen Nachlasszeugnisses. Dieses europaweit einheitliche Dokument hat eine ähnliche Funktion wie der deutsche Erbschein, der jedoch in dieser Form in vielen anderen Ländern nicht existiert. Es enthält alle relevanten Informationen über den Erbfall und den Inhaber des Dokuments und dient der Legitimation des Erben. Es kann neben dem Erbschein existieren. Bei nicht grenzüberschreitenden Erbfällen bleibt es beim Erbschein als Nachweis. Beantragt wird das Nachlasszeugnis beim Gericht oder einer anderen zuständigen Behörde am letzten Wohnsitzort des Erblassers.

Die Länder Dänemark, Irland und Großbritannien haben die Europäische Erbrechtsverordnung nicht übernommen und behalten ihr ursprüngliches Recht bei.